Ein Stück Historie

Rüthnick Architekten
24. Juli 2019
Eingangsbereich der sanierten Fassade. (Foto: Kevin Fuchs)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die Fassade des Hauses 19 der Technischen Hochschule (TH) Wildau, eine ehem. denkmalgeschützte Industriehalle von 1913, sollte mit der Sanierung ihren alten Charme zurückerhalten. Die Stahlskelett-Fassaden des Gebäudes mit der Ausfachung aus Verblendmauerwerk wurden während der über hundertjährigen Nutzung mehrfach verändert: Der größte Eingriff war das Schließen der großen Fensteröffnungen und die Herstellung einer zweigeschossigen Bürofassade in den 1950er-Jahren. Durch die Erneuerung der Fassade wird die historische Gliederung der Fenster wieder erkennbar. Die historische Patina der Fassade mit ihren Zeitschichten aus unterschiedlichen Ziegeln und Verfärbungen blieb erhalten. Vor allem wurde das „Reichsformat“ (25 cm × 12 cm × 6,5 cm) verwendet, das es seit 1872 gibt. Beschädigte Ziegelsteine und nachträglich eingefügte Ziegel, die nicht der ursprünglichen Farbe entsprachen, wurden ausgetauscht. 

Tresen im Studentenclub. (Foto: Kevin Fuchs)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Eine Herausforderung war es, die unterschiedlichen Nutzungen das industriell geprägte Gebäude einzufügen: Eine Kindertagesstätte mit 26 Plätzen, ein Studierendenclub für bis zu 200 Gäste sowie Büroräume. Der starke bauliche Eingriff aus den 50er Jahren erforderte zusätzliche Überlegungen, wie der historische Charakter des Gebäudes wiederbelebt werden kann. 

Das innere Erschließungssystem wurde entsprechend den Nutzungsarten neu geordnet. Jede Nutzung erhielt einen separaten Zugang. Die zwei vorhandenen Treppenanlagen zwischen Erd- und Obergeschoss konnten beibehalten werden. Das Untergeschoss erhielt einen neuen, innenliegenden Zugang. Besonders viel Wert wurde auf die detaillierte Wiederherstellung der Treppenläufe gelegt. 

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Areal der ehemaligen Schwarzkopffwerke, erbaut um 1897, steht unter Denkmalschutz. Nach dem Masterplan von Gottfried Böhm werden seit 1995 die Gebäude für die TH Wildau saniert. Mit der Sanierung von Haus 19 hat die TH Wildau ein Stück Historie mit einer zeitgemäßen Nutzung zurückerhalten, die den Campus belebt. Ein modernes Farbkonzept schafft Akzente im historischen Inneren und erlaubt eine zeitgemäße Nutzung für Kita und Studierendenclub. 

historisches Stahlfachwerk des Dachstuhls. (Foto: Kevin Fuchs)
Garderobe der Kita. (Foto: Kevin Fuchs)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Das Grundkonzept – Widerherstellung der historischen Kubatur – wurde von Anfang bis Ende eingehalten. Bei historischen Gebäuden wird auch ein wenig Flexibilität eingeplant, um den zum Vorschein kommenden Strukturen gerecht zu werden. Im Obergeschoss wurde beispielsweise das historische Stahlfachwerk des Dachstuhls mit einer Spannweite von 13,5 Metern freigelegt. Die zum Vorschein gekommenen Satteloberlichter können jetzt für die Raumbeleuchtung mit Tageslicht genutzt werden. 

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Energetisch konnte die Gebäudehülle verbessert werden. Die Außenwände erhielten, aufgrund einer energetisch komplizierten Fassadenkonstruktion mit einem durchgehenden Stahlfachwerk, eine Innendämmung mit Porotonziegeln, um so den Mindestwärmeschutz zu erfüllen.

historische Patina der Fassade. (Foto: Kevin Fuchs)
neue Gliederung der Fenster. (Foto: Kevin Fuchs)
Lageplan (Zeichnung: Rüthnick Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Rüthnick Architekten)
Grundriss Obergeschoss. (Zeichnung: Rüthnick Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Rüthnick Architekten)
Ansicht um 1913, vor der Sanierung und nach der Sanierung (Zeichnungen: BMAG, aib Architektur- und Ingenieurbüro, Rüthnick Architekten)
Haus 19 Campus Wildau
2018
Hochschulring
15745 Wildau
 
Nutzung
Kindertagesstätte, Studentenclub und Verwaltungsgebäude der TH Wildau
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB), Potsdam 
 
Architektur
SSP Rüthnick Architekten, Berlin
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: STB Sabotke-Timm & Partner Beratende Ingenieure VBI, Potsdam
Haustechnik: Ing.Büro Schurmann Bretschneider, Forst
IB Hauptmann GmbH, Forst
PFI Planungsbüro Freier Ingenieure, Berlin
Außenanlagen: Ahner Brehm, Partnerschaftsgesellschaft von Ingenieuren,  Königs Wusterhausen
 
Ausführende Firmen
Rohbauarbeiten: Kussatz & Schuster Bau GmbH, 15907 Lübben
Stahlbauarbeiten: Metallbau Rainer Hartmann, 15848 Beeskow
Außenfenster- Türen: SAG Metallbau GmbH 15528 Spreenhagen
Möbel-Tischler: Tino Tischlerei GmbH, Magdeburg
 
Bruttogeschossfläche
1.260 m²
 
Gebäudevolumen
4.997 m³
 
Gesamtkosten
3.900.000 €
 
Fotos
Kevin Fuchs, Berlin

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