Die Schule als Herz des Quartiers

LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei | 18. Dezember 2024
Die Grundschule Am Baakenhafen ist ein weithin sichtbarer Stadtbaustein. (Foto: Jakob Börner)
Herr Wieczorek, Frau Pütter, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Fabian Wieczorek: Die innerstädtischen Grundstücksverhältnisse sind recht beengt und erforderten die ungewöhnliche Organisation des Schulgebäudes in der Vertikalen. Über die im Untergeschoss befindliche Sporthalle sind im Erdgeschoss (halb)öffentliche Nutzungen wie ein Laden, die Aula und die Mensa der Schule geschichtet. In den Obergeschossen befinden sich die Lerncluster, die Vorschule und die Verwaltung. Eine weitere Besonderheit sind die Pausenflächen auf den Dächern – dieser architektonische Kniff ist ebenfalls den beengten Verhältnissen vor Ort geschuldet.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?


Katja Pütter: Die Fassade aus hellem Klinker folgt der ursprünglichen städtebaulichen Idee des Baakenhafens als »weiße Stadt am Wasser«, die leider nicht bei allen Nachbarbauten konsequent umgesetzt wurde. Zuoberst rahmen Sichtbeton-Bögen die Pausenfläche ein und machen das Haus als öffentlichen Stadtbaustein weithin sichtbar.

Das Gebäude reagiert auf die unterschiedlichen Niveaus von Petersenkai und Baakenallee mit einer vorgelagerten öffentlichen Treppenanlage. Das Warftwand-Geschoss aus rotem Klinker am Petersenkai bindet das Gebäude in das städtebauliche Gesamtkonzept des Baakenhafens ein. Über die Etagen setzt sich die Staffelung der Baukörper fort – es entstehen begehbare Dächer als Pausenhöfe, die den Bezug zum benachbarten Baakenpark herstellen.

Blick vom Sportfeld des Baakenparks auf die Gebäuderückseite (Foto: Jakob Börner)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?


Fabian Wieczorek: Wir haben an einem geladenen Wettbewerb mit nachgeschaltetem VOF-Verfahren teilgenommen und für unseren Beitrag den 1. Preis erhalten. Die Jury begrüßte unseren städtebaulichen Ansatz, die Funktionsbereiche auf zwei Lernhäuser aufzuteilen und den Eingang der Schule auf der Nordseite anzuordnen. Funktional wurde die klare Schichtung der Funktionen gelobt. Die Konzentration von Mensa, Aula und Schulhof im Erdgeschoss ermöglicht zudem die Nutzung durch Externe. Die kompakte Gestaltung und die angemessene Materialität der Fassaden wurden ebenso positiv hervorgehoben.

Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie trugen Sie diesen im Projekt Rechnung?


Katja Pütter: Zunächst erforderte der Baugrund aufwendige und langwierige Gründungsarbeiten in einer wasserdichten Baugrube. Im Bebauungsplan waren als städtebauliche Vorgaben ein sehr hohes Erdgeschoss (5.50 Meter brutto) und eine unterirdische Sporthalle gefordert. Hinzu kam der Wunsch nach einem Nutzungskonzept, das sowohl die Nutzung durch die Schule als auch durch Vereine ermöglichen sollte.

Ihre Sichtbarkeit als Sonderbau erhält die Schule durch die Weißbeton-Fertigteil-Bögen, die, wie schon erwähnt, die Pausenflächen auf dem Dach räumlich fassen. Ein spezielles Detail ist die direkte Anbindung des angrenzenden Gebäudes in zwei Geschossen und die Nutzung des Mensadachs als Außenfläche der dortigen Kindertagesstätte.

Inwiefern haben Bauherrschaft oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Fabian Wieczorek: Mit vorabgestimmten Raumtypenblättern gaben Bauherrschaft und Nutzer die räumliche Grundausstattung und die Raumkonzepte bereits weitestgehend vor. Die engagierte Schulleitung konnte uns Hinweise zu ihren Erfahrungen bei anderen Hamburger Schulbauten geben. Diese ließen sich gut in den Entwurf integrieren und zum Teil während der Bauzeit auch umsetzen. Einer besonders engen und intensiven Abstimmung mit den Nutzern bedurfte es wegen der Lage der Pausenflächen auf den Dächern. 

Lehrerinnen und Lehrer bereiten sich in besonders gestalteten Räumen auf den Unterricht vor. (Foto: Jakob Börner)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?


Katja Pütter: Die Grundorganisation des Baukörpers blieb wegen der beengten Verhältnisse und wegen des präzise vorgegebenen städtebaulichen Konzepts auch nach dem Wettbewerb gesetzt. Vor allem die Idee des Zugangs über den nördlichen Schulhof und den Lola-Rogge-Platz war dabei allen Projektbeteiligten wichtig. Die Verteilung der oberirdischen Baumasse wurde nach dem Wettbewerb dennoch angepasst, um die Kompaktheit des Baukörpers zu maximieren und damit auch eine Kostenreduktion zu erreichen. Anlass dazu gab die aufwendige Gründung der Sporthalle. Diese für uns schmerzliche Anpassung machte aus zwei Lernhäusern und klar differenzierten Volumen ein einzelnes größeres Volumen, das sich lediglich im Norden optisch in zwei Hälften gliedert.

Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?


Fabian Wieczorek: Grundsätzlich streben wir bei LRO immer die Verwendung langlebiger und beständiger Materialien an. Die Vorteile der damit verbundenen Robustheit veranlassten die Bauherrschaft dazu, die entsprechenden Materialentscheidungen meistens mitzutragen. Überzeugungsarbeit mussten wir vor allem hinsichtlich des Einbaus von Holz-Alu-Fenstern leisten.

Bögen aus Weißbeton-Fertigteilen fassen die Pausenflächen auf dem Dach. (Foto: Jakob Börner)
Warum haben Sie sich für die eingesetzten Materialien entschieden?


Katja Pütter: Die Auswahl der Baustoffe ist auf Materialbeständigkeit, lange Lebensdauer und maximale Flexibilität ausgerichtet – so etwa die zweifarbig verfugte Klinker-Vorsatzschale, die sich durch niedrige Unterhaltskosten auszeichnet. Das reduzierte Tragwerk und die Leichtbaukonstruktionen im Gebäudeinnern ermöglichen es, die Grundrisse an veränderte pädagogische Konzepte anzupassen. Dazu gehören auch robuste und reparaturfähige Materialien in den Innenräumen.

Lageplan (© LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei)
Grundriss Erdgeschoss (© LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei)
Grundriss Obergeschoss (© LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei)
Schnitt (© LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei)
Grundschule Am Baakenhafen
2024
Baakenallee 33
20457 Hamburg
 
Nutzung
Grundschule für 460 Schüler mit 2-Feld-Sporthalle
 
Auftragsart
Einphasiger, nicht offener Realisierungswettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Schulbau Hamburg
 
Architektur
LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart
LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei (Firmierung zu Projektbeginn) / LRO GmbH & Co. KG (seit 2021)
Marc Oei, Katja Pütter, Klaus Hildenbrand, Heiko Müller, Fabian Wieczorek (Projektleitung), David Fornol, Daniel Steinhübl, Aline Kälber, Julia Ochmann und Sophia Schmidt
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: ahw Ingenieure GmbH, Münster
Elektroplanung: PBR Planungsbüro Rohling AG, Hamburg
TGA-Planung:  PKi holistic engineering, Köln
Bauphysik: Zebau GmbH, Hamburg
Akustik: Quintus Ingenieurhaus GmbH & Co. KG, Hamburg
Freianlagenplanung: Helmut Hornstein, Freier Landschaftsarchitekt, Überlingen
Brandschutzsachverständiger: (bis einschließlich LP 4) BIG Brandschutzingenieurgesellschaft, Hamburg
Brandschutzsachversachverständiger.: (ab LP 5) Ingenieurbüro T. Wackermann GbR, Hamburg
Küchenplanung: Kösterke Ingenieur Consulting, Ostseebad Rerik
Baugrundgutachter: HPC AG, Hamburg
Vermessungsleistungen: Hanaack und Partner, Hamburg
WU-Gutachter: NIK Ing-Sv-Büro, Süßen
 
Bauleitung
Ernst² Architekten GmbH, Stuttgart und Hamburg
 
Ausführende Firmen
Baugrube und Tiefgründung: Berger Grundbautechnik GmbH, Dresden und Berlin
Baustelleneinrichtung: BplusL Infra Log GmbH, Limbach-Oberfrohna
Freianlagen: Maschmann GmbH, Moorrege
Rohbau: Otto Wulff Bauunternehmung GmbH, Hamburg
Dachabdichtung und Klempner: GfB Pinneberg GmbH, Pinneberg
Putzarbeiten: B&B Putz GmbH, Hamburg
Fliesen und Betonwerkstein: Fliesenservice Spaans & Henke GmbH, Rostock
Estrich und Bodenbeläge: Noack GmbH Rellingen, Rellingen
Innentüren: Krapp Tor- und Türtechnik GmbH, Rostock
Tischler: altho GmbH, Ahaus
Schlosser 1: KG Robert Seidel GmbH & Co., Schenefeld
Schlosser 2: Jensen Metallgestaltung GbR, Hamburg
Verglasungen und Sonnenschutz: Portawin Kriege GmbH, Essen
Baureinigung: G&S Service GmbH, Pinneberg
Maler: Maler Poppe GmbH, Hamburg
Trockenbau: ATH GmbH, Hamburg
Sportgeräte: Gotthilf BENZ Turngerätefabrik GmbH & Co. KG, Winnenden
Prallwand: Top-Sport GmbH, Hamburg
Sauberlaufmatten: Wilhelm Hirdes GmbH, Hamburg
Vorhänge: Raumausstattung Reiner Gerlach, Hamburg
Sportboden: EverSports GmbH, Berlin
Schließanlage: Wilhelm A.F. Meyer GmbH, Hamburg
Sportvorhang: Metallbau Politz GmbH, Edersleben
Aufzug: KONE GmbH, Hamburg
HLS-Isolierung: ISO-Basaran GmbH, Berlin
Küchentechnik: KNEIFEL Großküchen- und Objekteinrichtungs GmbH & Co. KG, Geestland-Debstedt
Lüftung: Döding GmbH & Co. KG, Ostrhauderfehn
Sanitär: Horst Poburski Wasser- und Abwasser-Technik GmbH, Glinde
Heizung: SANTEC Service GmbH, Schenefeld
Schwachstrom: Horst Busch Alarm- und Sicherheitstechnik GmbH, Hamburg
Starkstrom: Zillmer Elektrotechnik GmbH, Hamburg
 
Hersteller
Beschläge Fenster: FSB
Türen: Jansen und Schüco
Böden, Linoleum: Gerflor
Fliesen: Villeroy & Boch
Attikaverkleidung: Rockpanel
Dachabdichtung: Bauder
Akustikdecken: Hera und Knauf
Verblendziegel: Backsteinkontor (Fabrikat: Céramicas Mora)
Fugen: Quickmix
Fenster: Batimet
Gebäudeautomation: Siemens
Leuchten: Bega, Lightnet, Trilux und XAL
Lüftungstechnik: Trox und Wildeboer
Sportgeräte: Benz
Sitzbankauflagen außen: Runge
Sanitärobjekte und Sanitärkeramik: Geberit, Schell, Franke, Hansa, Duravit, Air-Wolf und Kaldewei
Schalter: Gira
Sonnenschutz: Hella
Spielgeräte: Berliner Seilfabrik
Sportgeräte: Benz
Sporthallenprallwand: Polysport
Trockenbau: Knauf
Türen: Hörmann; Jansen Schüco
Türkommunikation: Gira
Türschließer: Geze 
 
Energiestandard 
HafenCity Umweltzeichen in Platin (vergleichbar DGNB Platin)
 
Bruttogeschossfläche
10'235 m²
 
Gebäudevolumen
46'366 m³
 
Kubikmeterpreis
542 €/m³
 
Auszeichnung
BDA Hamburg Architektur Preis 2024, 1. Preis
 
Fotos
Jakob Börner, Hamburg

Vorgestelltes Projekt 

iam interior architects munich

Sonderausstellung »Sammeln. Glück & Wahn.«

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