Die Kraft der Zurückhaltung

Ploesser Architekten | 20. November 2024
Blick von der Seeseite auf die historische Villa Gminder. Um sie herum wurden vier neue Häuser gebaut. (Foto: Nina Baisch)
Herr Plösser, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Allein schon der Ort ist einzigartig: Das Hotelensemble liegt in einem Naturschutzgebiet inmitten eines circa 42'000 Quadratmeter großen Landschaftsparks mit historischem Baumbestand und einer denkmalgeschützten Villa. Der Umgang mit Natur und Villa erforderte Fingerspitzengefühl und maximale Umsicht bei allen Planungsschritten.

Die Begriffe der Reduktion und des Genius Loci prägten schon unsere ersten Planungsgedanken. Die Natur als Seele dieses Ortes war uns von Beginn an ein großes Anliegen. Neben dem Hochbaukonzept wollten wir zusätzlich eine einheitliche Gesamtlösung im Übergang zur denkmalgeschützten Villa entwickeln. Und so spiegeln sich Sichtbeziehungen und eine Reduktion der Architektur und Innenarchitektur schon in unseren ersten Skizzen zu den Entwurfsgedanken wider. Später konnten wir sie baulich konsequent umsetzen.

Der Neubau wurde mit Umsicht in den Park eingefügt, um den wertvollen Baumbestand nicht zu beeinträchtigen. (Foto: Nina Baisch)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Die Architektur ist inspiriert von Gebäuden aus dem skandinavischen Raum und der für ihre Baukultur bekannten Region Vorarlberg. Wichtigster Impulsgeber waren jedoch die Gegebenheiten der Natur und des besonderen Ortes.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?


Das Herzstück der Anlage bildet die vom Stuttgarter Architekten Theodor Fischer geplante Jugendstil-Villa, die als Sommerresidenz für den Reutlinger Textilfabrikanten Gminder im Jahr 1908 errichtet worden war. Das übergeordnete städtebauliche Konzept sieht insgesamt vier Gebäude vor, die einen geschützten Innenhof bilden. Sie umspielen die Villa Gminder und heben sie hervor.

Aufgrund der Lage am Bodenseeufer in einem Park mit wertvollem Baumbestand galt es, möglichst Rücksicht auf die Belange des Naturschutzes und der Pflanzen zu nehmen. Naturdenkmäler wie beispielsweise ein Mammutbaum waren ausschlaggebend für die Setzung der Gebäude im Ensemble. Durch die Aufgliederung und Auflockerung in einzelne Baukörper wollten wir erreichen, dass die Natur gleichsam zwischen den Gebäuden hindurchfließt.

Die Neubauten nehmen sich in ihrer Gestaltung und Materialität stark zurück und haben begrünte Dächer. In den Häusern befinden sich insgesamt 62 Hotelzimmer sowie dazugehörige Tagungsräume und ein kleiner Wellnessbereich. Ein Küchenanbau an der Villa fügt sich zurückhaltend ein und wurde in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde gestaltet.

Das Sockelgeschoss springt bei den Neubauten zurück, sodass geschützte Eingänge entstehen. (Foto: Nina Baisch)
Ausblick aus einem der sogenannten »Baumzimmer« des Hotels (Foto: Nina Baisch)
Die feststehenden Holzlamellen verschatten die Zimmer und dienen gleichzeitig als Vogelschutz. (Foto: Nina Baisch)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?


Im Jahr 2013 wurde unser Büro zunächst mit einer Bestandsanalyse der vorhandenen Bausubstanz beauftragt. Diese umfasste neben der denkmalgeschützten Villa Gminder auch die in den 1960er-, 70er- und 80er-Jahren errichteten Bauten sowie die dazugehörigen Freiflächen. In mehreren Schritten wurde danach der Planungsauftrag erweitert.

Im Erdgeschoss von Haus C sind Tagungsräume untergebracht. (Foto: Nina Baisch)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?


Die Architektur der vier Baukörper nimmt sich sehr zurück, denn bei der baulichen Entwicklung wurde Wert auf die Reduktion der gebauten Kubatur gelegt. Bei den Neubauten haben wir die Höhe von Traufe und First verringert, sodass die Villa Gminder der höchste Punkt des Ensembles bleibt. Diese Gestaltung ermöglicht in nahezu allen Zimmern eine Orientierung und Aussicht in Richtung Berge und Bodensee. 

Die vier Dreigeschosser sind so geplant, dass zurückspringende Zugänge überdachte und geschützte Eingangsbereiche ausbilden und sämtliche Balkone innerhalb der Baukörper liegen. Die Glasflächen haben wir reduziert und teilweise mit Holzlamellen als Lichtfilter versehen, um die Lichtverschmutzung gering zu halten und den Vogelschlag zu minimieren. In der Außenwirkung dominiert deshalb die dunkle Holzschalung. Unter den Gebäuden befindet sich eine Tiefgarage, in der außer den Stellplätzen auch Nebenräume untergebracht sind. 

Hotelzimmer im Dachraum (Foto: Nina Baisch)
Fließende Übergänge zwischen Bad und Zimmer sowie ein einheitliches Möblierungskonzept sorgen für eine hohe Aufenthaltsqualität. (Foto: Nina Baisch)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?


Zwischen der ersten Idee und der Fertigstellung blieb die Planung nahezu unverändert. Ein langer und nicht einfacher Prozess, der sich aber gelohnt hat. Die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur war ein wichtiger Garant für das gebaute Ergebnis.

Eingangsbereich der denkmalgeschützten Villa Gminder (Foto: Nina Baisch)
Speiseraum in der Villa (Foto: Nina Baisch)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?


Uns Planern war neben den einfachen und schlichten Baukörpern mit optimiertem A/V-Verhältnis vor allem der gebaute Ansatz einer reduzierten, zeitlosen und schlichten Architektursprache wichtig. Die Gebäude sind Hybridkonstruktionen mit hohem Holzanteil: hochgedämmte Holzwände und begrünte Holzdächer kommen darin mit Decken aus Stahlbeton und betonierten Lifttürmen zusammen. Das Technikkonzept ist einfach gehalten, die Zimmer sind nicht klimatisiert.

Lageplan (© Plösser Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Plösser Architekten)
Detailschnitt (© Plösser Architekten)
Hotelanlage Seegut Zeppelin
2024
Ziegelstrasse 5/1
88048 Friedrichshafen
 
Nutzung
Hotel mit Seminarräumen
 
Auftragsart
Direktauftrag, stufenweise Beauftragung
 
Bauherrschaft
Zeppelin Luftschiffbau GmbH
 
Architektur
Ploesser Architekten GmbH Friedrichshafen
Projektleiter Manuel Plösser
Projektbeteiligte Aaron Michelmann
 
Fachplaner
Freianlagenplanung: Planstatt Senner, Überlingen
Innenarchitektur: Linie2, Stuttgart
 
Bauleitung
I+R Industrie & Gewerbebau, Lauterach (A)
 
Ausführende Firmen
GU  I+R Industrie & Gewerbebau, Lauterach (A)
 
Bruttogeschossfläche
7167 m² 
 
Gebäudevolumen
16'040 m³
 
Gesamtkosten
17.5 Mio. €
 
Fotos
Nina Baisch, Konstanz

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