New European Bauhaus

Manuel Pestalozzi
15. d’abril 2021
Das Logo des „New European Bauhaus“ besteht aus einer diskreten, marginalen Cityscape, Menschen und einem Haustier in der großzügigen Freifläche und viel Bäumen. (Grafik: europa.eu)

Auf seiner Website bezeichnet sich das „New European Bauhaus“ als „eine im Entstehen begriffene interdisziplinäre kreative Bewegung“, an der sich alle beteiligen können. Sein offizieller Slogan vereint die englischen Eigenschaftswörter beautiful, sustainable und together. Vorbild und Namensgeber ist natürlich das Staatliche Bauhaus, das in Deutschland zwischen 1919 und 1933 zuerst in Weimar, dann in Dessau und ganz am Schluss in Berlin betrieben wurde. Damals wollte man an einer historischen europäischen Bruchkante Kunst, Handwerk und Industrie mit avantgardistischem Schwung an Orten mit emblematischer Strahlkraft zusammenführen. Bekannte Persönlichkeiten aus der avantgardistischen Szene traten an diesen Orten ans Ruder. Beim „New European Bauhaus“ scheint – zumindest vorerst – eher die etablierte Bürokratie in Brüssel für den Antrieb zu sorgen, mit finanziellen Mitteln, die ihr dafür zur Verfügung gestellt wurde.

Zur Teilnahme an dieser Experimentier- und Vernetzungsplattform eingeladen sind Bürger*innen, Sachverständige, Unternehmen und Institutionen. Sodann, auf der anderen der beiden Seiten, welche das „New European Bauhaus“ mit seinem Brückenschlag verbinden will, Designer*innen, Architekt*innen, Ingenieur*innen, Wissenschaftler*innen, Studierende und kreative Köpfe aller Disziplinen. Die Inhalte lauten: künftige Formen des Zusammenlebens, Chancen zur Veränderung unseres Lebens zum Besseren, innovative Lösungen für komplexe gesellschaftliche Probleme in einem partizipativen Prozess. Erklärtes Ziel der Initiative ist es, „unser Denken, unsere Verhaltensmuster und unsere Märkte an neuen Lebens- und Bauweisen auszurichten, unter anderem durch Einwirkung auf das öffentliche Auftragswesen“. Das erneuerte Europa soll erschwinglichere und zugänglichere Lebensräume bieten, außerdem ein weltweit nachhaltiges Leben ermöglichen. Es soll ferner die Lebensqualität steigern, indem der Wert von Einfachheit, Funktionalität und Werkstoff-Kreislaufwirtschaft ohne Abstriche bei Alltagserfordernissen wie Komfort und ästhetische Attraktivität die angemessene, notwendige Geltung verschafft wird.

Die Initiative gliedert sich in drei Phasen: gemeinsame Gestaltung, Realisierung und Verbreitung. Die erste Phase, die noch bis in diesem Sommer dauert, dient der Zusammenführung „von allgemein anerkannten, konkreten, zeitgenössischen Beispielen“. Sie sollen die Grundsätze des „New European Bauhaus“ verkörpern. Parallel zu freien Eingabe solcher Beispiele besteht ein mit renommierten Vertreter*innen aus Theorie und Praxis besetzter und durch eine Reihe teilstrukturierter Interviews eingerichteter Runder Tisch. Er soll dienen „als Resonanzboden für Ideen und als Gemeinschaftsbotschafter“. Nicht explizit verkündet, aber zu vermuten ist, dass dieses Expert*innengremium auch als eine Art Jury für die eingereichten Beispiele fungiert. Jedenfalls sollen am Ende der ersten Phase jene, die „in eigener Art und Weise bereits Nachhaltigkeit, Erfahrungsqualität und Inklusion miteinander verbinden“, ausgewählt und mit Sonderpreisen prämiert werden.

Die Phase „Realisierung“ startet mit einem Unterstützungsrahmen auf der Grundlage von EU-Programmen und der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für Pilotprojekte in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, in denen das „New European Bauhaus“-Konzept zum Tragen kommen wird. Dieser Abschnitt der Initiative ist auch eine „Verbreitungsphase“ im Dienste der ermittelten guten Idee, in die auch Regionen außerhalb Europas eingebunden werden sollen. Man möchte damit einen Vernetzungs- und Wissensaustausch auslösen, mit dem Ziel, offene und reproduzierbare Methoden, Lösungen und Prototypen zu ermitteln und sie Städten, Gemeinden, Architekt*innen und Designer*innen zur Verfügung zu stellen.

Lebensweisen aus dem Labor

In der dritten Phase, die im Januar 2023 beginnt, liegt der Schwerpunkt auf der Erweiterung und Verstärkung der herausgebildeten Ideen und Maßnahmen und dem Erreichen einer breiteren Öffentlichkeit in Europa und weltweit. Dabei geht es insbesondere um Vernetzung und systematischen Wissensaustausch zwischen Beteiligten und Fachleuten der Praxis, um die besten Methoden, Lösungen und Prototypen zu ermitteln und sie Städten, Gemeinden, Architekten und Designern zur Verfügung zu stellen. Von besonderer Bedeutung wird es dabei sein, die Offenheit der Gespräche zu wahren und die Beteiligten in bestehende Netze einzubinden. Schließlich soll das „New European Bauhaus“ das Entstehen von Leitmärkten für attraktive, nachhaltige und inklusive Lebensweisen unterstützen.

Die bereits eingegangenen Vorschläge beispielhafter Projekte und Initiativen werden auf der Website des „New European Bauhaus“ kurz vorgestellt. Sie skizzieren das Europa der Zukunft weitgehend als eine naturliebende, postindustrielle Welt, die behutsam und respektvoll mit dem gebauten Bestand umgeht, technischen Liebhabereien frönt und sich eingehend neuen Gesellschafts- und Arbeitsformen widmet. Es handelt sich um eine Sammlung sympathischer Ideen, über die man gut und gerne und lange diskutieren kann, die aber weniger durch ihre Dringlichkeit als durch ihre Beliebigkeit gekennzeichnet sind. Eigentlich ist es schade, dass es in Brüssel offenbar niemandem in den Sinn gekommen ist, bei der Aufgleisung der Initiative auf die Erfahrungen mit den Europan-Wettbewerben oder dem EU Mies van der Rohe-Award zurückzugreifen, die sich konkreten Aufgaben quer durch den Kontinent widmen.

Am 22. und 23. April 2021 findet zum „New European Bauhaus“ eine Online-Konferenz statt.

Kultur im Grünen – als Beispiel im Zusammenhang mit der Initiative wird auch das Konferenzzentrum und Auditorium in Plasencia, Spanien, von SelgasCano gezeigt. (Foto: Iwan Baan)

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